Tausendmal totgesagt und immer gut für ein Erweckungserlebnis – die Malerei. Adelheid Rumetshofer war mit „Floatings“ in der Galerie Sturm und Drang zu sehen. Tanja Brandmayr hat die Malerin getroffen und mit ihr über Raumwahrnehmung und Entmaterialisierung gesprochen.

Floatings war der Titel der Ausstellung, die im März und April in der Galerie Sturm und Drang zu sehen war. Floatings bezeichnet aber auch den unabgeschlossenen größeren Werkszyklus von Adelheid Rumetshofer, dem Überthema, dem sie sich schon mehrere Jahre widmet. So tragen die Ausstellungen der letzten Jahre diesen gemeinsamen Titel. Die Bilder selbst bleiben o. T., werden allemal nach Farbigkeit und Helligkeit benannt. Hinsichtlich Farbigkeit bewegt sich Rumetshofer mit ihren Bildern „innerhalb des gesamten Farbspektrums, mit einer Tendenz zu Blau“, so die Malerin. Weswegen wahrscheinlich Assoziationen mit Wasser, Meer und Weite naheliegen – und vielleicht auch zur unmittelbaren Wirkung eines Dahintreibens. Am Beginn dieser Entwicklung stand jedenfalls 2009 auch ein Initialerlebnis der Künstlerin am Wasser: Rumetshofer, man möchte meinen, fast malerisch klassisch an einem Teich sitzend, beschreibt einen Blick, der wie im Narrenkastl verschwimmt und erzählt von einer Wahrnehmungsänderung, die plötzlich mehrere Ebenen der Realität erfasst – Wasseroberfläche, Spiegelungen, Lichtreflexionen, das Grün unter der Wasseroberfläche. Oder, anders gesagt, die angesichtige Natur und der Raum löste sich in flächig-floatende Farbebenen auf, zumindest für einen ersten und eindrücklichen Moment. Nach dieser Initialzündung gab es, so Adelheid Rumetshofer, „keine Geschichten mehr zu erzählen, keine Landschaft mehr, keine Natur mehr zu malen“. Stattdessen das Interesse an Farben und Farbklängen, zu deren Gunsten die Auflösung der Form vorangetrieben wird. Vertiefung, Vernebelung, Düsternis, Helligkeit, Leuchtkraft – Rumetshofer „floatende“ Flächigkeiten sind dementsprechend unterschiedlich, entfalten aber Raumwirkung, scheinen so etwas wie Kontemplation über Farbe und Raum zu ermöglichen. Und in vielerlei Hinsicht werden Intention und Technik, die über mehrere Jahre nach und nach entwickelt wurden, in den ausgestellten Bildern sichtbar: mehrere Farbschichten und Ebenen, das Verwischen der Farben, die beinahe vollständige Aufhebung der Form und der Kontur, manches Mal Andeutungen von Geometrie, wolkenhafte Verdichtungen. Das alles öffnet Wahrnehmung, ermöglicht Erweiterung des Blicks, oder ein Verschwimmen von Innen und Außen, das sich nicht näher definiert. Eine merkwürdig diffuse Wirkung stellt sich ein und fordert beinahe auf, verschiedene Distanzen zu den Bildern einzunehmen. Und möglicherweise korrespondiert diese räumliche Bewegung mit der Hin- und Wegbewegung zum und vom Bild, die die Malerin selbst während des Arbeitsprozesses im Atelier vollzieht. Diesbezüglich gefragt, meint Adelheid Rumetshofer jedenfalls: „Es gibt viel Bewegung im Atelier“.

An anderer Stelle betont Rumetshofer die Wichtigkeit von Gegensätzen in ihrer Arbeit – nicht nur in formalen Fragen wie etwa der nach dem Umgang mit Vertikalen, Horizontalen, sondern durchaus auch in wuchtigeren Gegensätzen von „immer mehr Entmaterialisierung“ zugunsten der Farben und eines Farbsogs, dessen Kraft Räumlichkeit bewirkt. Und der Umstand, dass neben Raumwahrnehmung auch die Farbwahrnehmung je nach Fokussierung des eigenen Blicks variiert, oder auch „je nach Farbnachbarschaft, Tageszeit und Licht“, wie Adelheid Rumetshofer ergänzt, bringt mich an dieser Stelle nun endgültig zu einer kleinen Anmerkung über James Turrell, der als Landschafts- und Lichtkünstler irisierende Farb- und Raumeffekte zaubert – wenn auch, und dies ganz klar angemerkt, mit den noch reduzierteren Medien des Raums und des Lichts, also nicht mit den Mitteln der Malerei, und auch in einer anderen Größenordnung: Wir wissen natürlich, dass James Turrell in internationalen Dimensionen arbeitet. Ich halte diese Anmerkung aber für wichtig, einerseits, weil sich diese Assoziation unmittelbar und auf den ersten Blick eingestellt hat, und wie ich später von der Galeriemitarbeiterin erfahre, nicht nur bei mir. Und andererseits scheint dies gerade auch wegen der „anderen Dimension“ des Lichtes und des Raumes interessant, zumal der „Dimensionenwechsel, ein klassisches Thema der Malerei, nämlich das des Umgangs der zweidimensionalen Fläche mit dem dreidimensionalen Raum“, so die Künstlerin, sich in den Floatings vielleicht anders transformiert hat: Es scheint so, als ob eine Präsenzerfahrung in und mit Natur, den Weg in eine höhere Dimension der Abstraktion, in Stille und Leere, eingeschlagen hat. Und ohne ein Mäntelchen der spirituellen Wellness anziehen zu wollen: Es ist, was es ist. So gesehen trifft hier ein hoher Abstraktionsgrad auf die Fragestellung, „was denn hier eigentlich noch abstrahiert werde, wenn es von vorneherein nicht mehr um die Abstraktion der Gegenständlichkeit geht“ – oder um in den Worten der Künstlerin zu bleiben, „es geht um immer mehr Entmaterialisierung“. Eine Frage, die vieles, um nicht zu sagen alles öffnet – die naturgemäß jedoch nicht für die Betrachter beantwortet werden kann, auf die die Frage in aller Wucht und Zartheit zurückströmt. Entmaterialisierung, Raumerfahrung, Vertiefung: Mich tröstet etwa, dass derartige Erfahrungen nur durch körperliche Anwesenheit möglich ist, durch längeres Sitzen und Stehen vor den Bildern, durch eine Zeit des Betrachtens. Entmaterialisation also körperlich-räumlich präsent – ein weiterer schöner Gegensatz.

Tanja Brandmayr, DIE REFERENTIN, Kunst und kulturelle Nahversorgung #12 Juni/Juli/August 2018